Wie lange er schon hier ist? Er weiß es nicht. Den ganzen Tag schon, das auf jeden Fall. Oder sind es Wochen? Monate? Jahre? Er wartet, wartet auf die Gelegenheit, seine Geschichte zu erzählen: die Geschichte einer außergewöhnlichen Menschwerdung. Gewaltsam von Westafrika nach Europa entführt, hat der Affe Rotpeter seinen Ausweg in der radikalen Assimilation gesucht und gefunden: Er hat den menschlichen Handschlag trainiert, sich darin geübt, seinem Gegenüber ins Gesicht zu spucken, seinen Widerwillen gegen Alkohol überwunden und sich einen komplexen Wortschatz erarbeitet. Stück für Stück hat er so eine vermeintliche Menschwerdung vollführt, die es ihm nun erlaubt, sich selbst die „Durchschnittsbildung eines Europäers“ zu attestieren. Unter Verdrängung seiner Herkunft wie Vergangenheit ist er zu materiellem Wohlstand und Anerkennung gelangt, als Menschenimitator und Varietékünstler wurde er zum gern gesehenen Gast auf wissenschaftlichen Kongressen wie privaten Festen. Dass all diese Privilegien immer nur ein Ausweg aus der Gefangenschaft sein, niemals wieder aber wirkliche Freiheit bedeuten würden, hatte Rotpeter von Anfang an geahnt … Kafkas Werk gehört zum Kanon der Weltliteratur. Seine Erzählung „Ein Bericht für eine Akademie“ zählt zu den wenigen Arbeiten, die schon zu seinen Lebzeiten veröffentlicht wurden. 1917 erschien sie erstmals in der Zeitschrift „Der Jude“ – ein zeitgeschichtlicher Bezug, der die Basis zahlreicher Interpretationsansätze liefert.
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